Ich erlebe es häufig, wie Menschen auf „Fehlverhalten“ reagieren. Die erste Lösung, die den meisten Leuten einfällt ist: eine Strafe erteilen! Sei es bei Kindern, unangenehme Kunden oder Straftätern (Hier steckt es ja bereits im Wort). Strafe hat so eine lange Tradition, dass kaum noch in Frage gestellt wird, welchen Zweck Strafe hat und ob es diesen auch erfüllen kann. In diesem Artikel möchte ich auf die Erkenntnisse eingehen, die Menschen gekommen sind, die sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben.
Für Strafen von Verstößen sprechen 2 Gründe: Vergeltung von Vergangenem, Vorbeugung gegenüber Zukünftigem(Spezialprävention) und ein Exempel für andere, sich an Gesetze zu halten (Generalprävention). Da das Prinzip der Rache in unserer Gesellschaft nur noch schwer vertretbar ist, bleibt nur noch die Prävention von künftigen Verstößen. Dafür braucht es aber empirische Belege, ob Strafe den erwünschten Erfolg bringt, also ob sie vor zukünftigen Vergehen schützt.
Empirische Zahlen über Wirkung:
Nach Studien der „Rückfall- und Wirkungsforschung“ (Quelle: Prof. Dr. Wolfgang Heinz – Universität Konstanz) liegt Rückfälligkeit generell ungefähr bei einem Drittel. (Bei Jugendlichen stärker als bei Erwachsenen) Dabei steigt die Rückfallrate mit der Härte der Bestrafung. Da wo Strafe ausgesetzt wurde, nahm die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls deutlich ab.
Es gibt zwischen deutschen und amerikanischen Forschungen keinen großen Unterschied. In Amerika wurden in „tough on crime“ Maßnahmen keine Verbesserungen, teils Verschlechterungen festgestellt.
Um zu bestätigen, dass es wirklich eine Kausalität zwischen härteren Strafen und Rückfälligkeit gibt, wurden Untersuchungen angestellt, in denen Unterschiede zwischen verschiedenen Verfahren ermittelt wurden. Im Vergleich von Freiheitsentzug gegenüber anderen Verfahren schlossen beispielsweiße „Sozialtherapie“ und Täter-Opfer-Ausgleich mit geringeren Rückfallquoten ab und bestätigte damit die Theorie, dass eine Kausalität besteht.
Neuropsychologische Erklärungen über Wirkung:
Aggression entsteht im Gehirn durch subjektiv empfundene Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Demütigung. Diese Dinge werden im Gehirn wie körperlicher Schmerz empfunden und verursachen Aggression als Schutzreflex. Wenn eine Strafe als unberechtigt, unverhältnismäßig oder diskriminierend empfunden wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Strafe ihr Ziel verfehlen wird und stattdessen eskalierend wirkt. Wenn die Strafe auf den Bestraften zudem noch ausgrenzend oder demütigend wirkt, kann dies noch zusätzlich Aggressionsfördernd sein (Quelle: Prof. Dr. Joachim Bauer).
Diese Aggression kann sich auch nach innen richten und ein begünstigender Faktor für Depression sein (Dies ist jedoch wahrscheinlicher, wenn die Person denkt, die Strafe verdient zu haben. Es gibt eine erwiesene Korrellation zwischen Scham und Depression).
Alternativen zu Strafe:
Wenn ein Mensch gegen eine Regel verstößt, dann hat das immer einen Grund. Selbst wenn die Handlung für uns unverständlich ist, wird sie durch ein -in sich legitimes- Bedürfnis motiviert, das wir zwar teilen, aber mit einer anderen Strategie befriedigen würden. Wenn dieses Bedürfnis bei dem Bewohner stark ist, wird Strafe auch nicht vor einem Rückfall schützen, weil der Bestrafte unter Umständen nicht weiß, wie er das Bedürfnis noch befriedigen kann. Stattdessen müssen also Alternativen für die Person gefunden werden. Um zu wissen, welches Interesse der Person für die Missachtung unseres Interesses sorgte, müssen wir also hinterfragen „Was hat dich davon abgehalten, Regel XY zu befolgen“. Wenn alle Interessen miteinander kommuniziert wurden, lassen sich gemeinsam neue Optionen erschließen, die beide Interessen beinhalten. (Quellen: Das Harvard Konzept für Win/Win Verhandlungen nach Roger Fisher; Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers PhD.)
Natürlich existiert die Möglichkeit, dass jemand aus Angst vor Bestrafung (obengenannte Generalprävention) in unserem Interesse handelt. Wenn es aber unser Ziel ist, dass die Handlung aus dem Bedürfnis kommt, andere Menschen zu unterstützen (Dieses Bedürfnis hat jeder Mensch, man hat aber nur Zugriff darauf, wenn grundlegendere Bedürfnisse erfüllt sind, wie zum Beispiel Respekt), kann Strafe dies nicht vermitteln.
Um Menschen zu motivieren gibt es 3 Hauptfaktoren: Anschluss (durch die Handlung ein besseres Verhältnis zu anderen Menschen/Gruppen zu bekommen), Leistung (sich durch die Handlung zu verbessern bzw. ein Erfolgserlebnis zu haben) und „Macht“ (im Sinne von Wirksamkeit, also zu erfahren, dass die eigenen Handlungen einen Einfluss haben). Übrigens sagt die Lernpsychologie, dass Menschen durch positive Erlebnisse stärker lernen als durch negative. Lösungen sollten also nicht auf die Angst vor Strafe abzielen, sondern auf die Motivation zu Unterstützen. Das ist zwar schwieriger als eine Strafe auszusprechen, verspricht aber mehr Nachhaltigkeit. (Quelle: David McClelland PhD.)
PS. Da Bestrafungen wie gesagt als unsere Allround-Lösung für alles seit dem Mittelalter Tradition hat, ist es schwer sie wegzudenken und ich kann verstehen, wenn der Leser sich denkt, dass meine Ausführung falsch, einseitig oder „gutmenschlich“ sind. Für Gegenargumente bin ich offen, sofern sie eine gewisse Wissenschaftlichkeit haben.