Update: Der Artikel entstand vor der Veröffentlichung.
Senatorin Dianne Feinstein versucht seit Monaten einen Bericht zu veröffentlichen, der die Verhörmethoden der CIA nach 9/11 offenlegen soll. Im April hatte der Senat abgestimmt, einen auf 500 Seiten gekürzten Auszug des 6000 seitigen Torture Report zu veröffentlichen. Viele der Verhörmethoden wurden als Folter bezeichnet und besonders das sogenannte Waterboarding wurde scharf kritisiert. Am Wochenende sollte der Bericht ursprünglich veröffentlicht werden. Jedoch wurde die Veröffentlichung kurzfristig gestoppt, nachdem US Außenminister Kerry davor warnte, dass die Veröffentlichung für zu viel Aufruhr sorgen könnte. Amerikaner im Ausland, besonders im mittleren Osten könnten gefährden sein.
Bei solchen Nachrichten habe ich bereits beim lesen eine Vermutung wie die Leserkommentare darunter aussehen. In diesem Fall hatten die meisten, an die ich mich erinnere folgenden Ton: „Amerika ist ein Unrechtsstaat und jetzt wollen die wieder alles unter den Teppich kehren. Und keiner tut was, weil wir was von denen wollen“.
Ich möchte mich als erstes mit diesem Zitat auseinandersetzen. Ich lese in diese Kommentare Wut und Ohnmacht hinein. Da spricht der Tief in uns verankerte Sinn für Gerechtigkeit. Wut, wenn Regeln überschritten werden, die in den Grundrechten verankert sind. Und Hilflosigkeit, Frustration und Resignation, dass es nichts gibt, was wir tun können um solche Zustände im Alleingang zu ändern.
Einige Menschen verlangen noch immer, dass man Mitglieder der IS oder Al-Quaida umbringen sollte um das Morden zu beenden. In dem vorhergehenden Kommentar zeigt sich die Entrüstung über den Umgang der CIA mit eben jenen Terroristen. Das stimmt mich hoffnungsvoll. Auch mir ist es wichtig, dass jeder Mensch -auch Terroristen- mit Menschenwürde behandelt werden.
Als Mediator habe ich natürlich den Anspruch an mich, auch die andere Seite zu verstehen. Also widme ich mich jetzt der amerikanischen Regierung. In meinem gestrigen Artikel ging es um Dilemma Diskussionen. In dem eingefügten Video wurde auch das Dilemma der Folter erwähnt. Ist es Rechtens eine Person zu verletzen um möglicherweiße hunderte zu retten? Wie gestern erwähnt, sind hier beide Antworten richtig und falsch. Ich werde mich an dieser Stelle nicht für eine Antwort positionieren. Ich wünsche mir nur, dass mehr Menschen beide Seiten sehen würden. Sehr schnell benutzen wir Begriffe wie „menschenverachtend“ für Menschen, die überzeugt sind das Richtige zu tun.
Das Problem bei Foltermethoden (genau wie bei anderen kriegerischen Methoden) ist, dass sie einfach sind. Gewalt führt schnell zum Ziel. Ich frage mich, wie lange ein alteingesessener CIA Mitarbeiter über alternative Wege nachdenkt, bevor er zur Folter greift. Möglicherweiße versucht er tatsächlich alles und nutzt Folter nur als letzten Ausweg. Vielleicht hat ihn seine Erfahrung auch gelehrt, dass es nur eine Möglichkeit gibt, die sofort Erfolg verspricht. Das kann ich nicht wissen. Und ich möchte nicht an der Stelle des CIA Agenten sein, der diese Art Entscheidungen treffen muss und dabei möglicherweiße das Leben vieler Unschuldiger auf den Schultern wiegen fühlt. Die reine Zahl an Folteropfern zeigt mir jedoch, dass diese Entscheidung für meine Begriffe zu oft gefallen ist. Ich fände es schön, wenn diesen Menschen neue Wege beigebracht würden. Auch wenn diese nicht immer so schnell funktionieren.
Was die Verzögerung angeht, denken viele direkt an Vertuschung. Ich kann das nicht ausschließen, frage mich jedoch, ob wir wirklich Neuigkeiten aus dem Bericht erfahren würden. Vermutlich wären wir geschockt, wenn uns all die Brutalität mit einmal ins Gesicht springt. Aber ich bezweifel, dass uns der Inhalt nicht bereits klar ist. Kerrys Angst ist berechtigt. Sollten Gewaltausbrüche im mittleren Osten ausbrechen, nachdem der Torture Report veröffentlicht wird, liegt es jedoch nicht an dem Inhalt. Sondern an den Problemen, die diese Menschen ohnehin mit der US Regierung haben. Es braucht nur immer mal wieder einen Anlass um diese Probleme in Stellvertreter-Gewalt äußern zu können.
Als Mediator halte ich viel von Vertraulichkeit. Ohne Vertraulichkeit funktioniert eine Mediation oft nicht. Und genau dieses Anliegen interpretiere ich in Kerrys Wunsch, mit der Veröffentlichung noch zu warten. Gleichzeitig beobachte ich einen immer größer werdenden Verdruss der Bevölkerunge vor der „Geheimniskrämerei“ der Politiker. Das Bedürfnis nach Transparenz wird immer größer. Sei es bei TTIP oder eben bei den Torture Reports. Und genau so wie eine Mediation nicht ohne Vertraulichkeit funktioniert, benötigt sie genau so sehr auch Transparenz um zu einem Erfolg zu kommen. Auch die politische Ebene braucht ein Gleichgewicht dieser beiden Werte. Wenn wir eine Chance wollen, Einfluss zu nehmen und neue Wege zu zeigen, brauchen wir Informationen, anhand derer ein öffentlicher Diskurs entstehen kann. Das heißt, dass Politiker den Mut zur Transparenz brauchen. Gleichgewicht bedeutet aber auch, dass wir gut beraten wären, der Politik ein Maß an Vertraulichkeit zuzugestehen.