Ein Informatiker schreibt einen Code für ein Programm. Selbst der erfahrenste Programmierer kommt nicht immer um Fehler herum. Wenn er jetzt sein Programm überprüft, kann es also passieren, dass eine Fehlermeldung aufpoppt. Die naheliegendste Option ist nun, die Fehlermeldung zurechtzuweisen. Er könnte zum Beispiel die Fehlermeldung als „Programmhasser“ bezeichnen. Vielleicht programmiert er eine Gegenmeldung um gegen die Fehlermeldung zu protestieren.
Unsere Demokratie funktioniert wie ein Code. Ein schlauer Mensch fällt eine Entscheidung, zum Beispiel eine Gesetzgebung. Er kann dabei einfach nicht in der Lage sein, die Gesichtspunkte Aller einzuplanen. Deshalb kommt jetzt immer Feedback von allen, die diese Entscheidung betrifft. Andere Politiker, Interessensvertreter, Betroffene und Stimmen aus dem Volk geben an, warum die Entscheidung einen möglichen Schaden für sie darstellt. Jetzt wird sich im Dialog immer mehr einem Konsens angenähert. Soviel zum Idealfall…
In einer Mediation haben wir das gleiche Phänomen. Wichtige Themen kommen immer wieder auf den Tisch. Wenn ich ein Thema abschneide, dass dem Klienten wichtig ist, wird er immer wieder darauf kommen, bis ich es endlich behandle. Manchmal ist das schwer, weil uns nicht immer gefällt, auf welche Weise diese Dinge gesagt werden. Statt das Thema zu deckeln, kann ich es an dieser Stelle jedoch auch in eine produktive Richtung lenken.
Pegida ist eine Fehlermeldung. Dass die Bewegung entstehen konnte, sagt uns „Aha, da müssen wir nochmal etwas überdenken“. Der Code muss überprüft werden. Professor Werner Patzelt sagte bei einem öffentlichen Vortrag: „PEGIDA ist eigentlich keine Bewegung gegen Islamisierung. Es geht um das Misstrauen in die Politik, die sich auf dem Boden der Integrationsdebatte abspielt“ Eine Studie der Technischen Universität bestätigt das: „Die befragten Teilnehmer der Demonstrationen gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ sind nur zu knapp einem Viertel durch „Islam, Islamismus oder Islamisierung“ motiviert.“ (Von der Seite der TU zitiert) Die meisten Menschen sehen einfach ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung nicht erfüllt. In diesem Fall der Wunsch nach Partizipation am demokratischen Dialog: „Warum werden wir nicht gefragt, bevor solche Dinge beschlossen werden? Welche Konsequenzen könnten sich denn für uns daraus ergeben?“
Durch fehlendes oder einseitiges Hintergrundwissen vieler Demonstranten kommen diese Argumente leider auf eine Weise, bei der aufgeschlossene Menschen des 21. Jahrhunderts erstmal aufstoßen. Und so verstehe ich, dass Gegendemonstranten auf die Straße (oder auf Facebook) gehen, um Flagge zu bekennen. Die Nachricht ist: „Wir denken nicht alle so. Ihr sprecht von einem Volk, zu dem wir nicht gehören“. Und auch hier haben wir wieder fehlendes und einseitiges Hintergrundwissen, nämlich über die Intentionen von PEGIDA. Und so kommt es leider, dass NOGIDA Demonstranten Dinge rufen wie „PEGIDA sind alles Faschisten/Rassisten“. Freunde von mir haben Kontakte bei Facebook gelöscht, nur weil sie die PEGIDA Seite geliked haben. Der durchschnittliche PEGIDA Demonstrant ist aber nicht rassistisch und spürt Widerstand gegen das Unverständnis das ihnen entgegengebracht wird. So geht es nun hin und her.
Ein Beispiel ist die „Lügenpresse“. Natürlich wird die Presse nicht von einer Stasi-ähnlichen Instanz gelenkt, die absichtlich Lügen an das Volk verkauft. Dennoch kann Berichterstattung verzerrt sein. Allein schon durch die Selektion nach Nachrichtenwert und die Positionierung von Journalisten. Verzerrung ist aber auch auf Seiten des Empfängers möglich. Nämlich wenn den Pegidisten nur jene Nachrichten auffallen, die über PEGIDA schimpfen. Dadurch kann es passieren, dass sich Vertreter einer bestimmten Meinung von den Medien nicht repräsentiert fühlen. Ich lese aus dem Wort Lügenpresse folgendes heraus: „Die Medien stellen uns nicht so dar, wie wir verstanden werden wollen“. Es ist ein tragisch ausgedrückter Ruf um Verständnis.
Wer hat aber jetzt die Verantwortung, aus diesem Kreis auszubrechen? Sind es PEGIDA, indem sie ihre Forderungen auf eine Art stellen, die wir eher annehmen können? Indem sie auf eine „politik gerechte“ Argumentation achten (obwohl sie diese nie gelernt haben, aber trotzdem mitreden möchten)? Indem sie ihre Informationen aus neuen Quellen schöpfen? Oder ist es die Gegenseite, indem sie die PEGIDA Aussagen nicht für bare Münze nimmt, sondern aufnimmt, was dahintersteht. Oder indem sie sich fragt, wie wir die Bewegung als Ressource -statt als Hindernis- nutzen können um uns demokratisch weiterzuentwickeln? Die Antwort ist natürlich: Die Verantwortung liegt immer bei den anderen. Wofür selber Energie aufwenden, wenn ich meinen Gegnern einfach sagen kann, warum sie falsch liegen und sich ändern müssen!?
Ich erwähne hier natürlich auch, dass ich langsam eine kleine Bewegung aufeinanderzu sehe. Auch wenn der Umgang manchmal etwas rauer ist, entwickelt sich der Diskurs langsam in eine umgänglichere Richtung. Obwohl ein Mediator immer hilfreich ist, um den Prozess zu beschleunigen, gilt: Jeder Streithahn hat tief in sich die Fähigkeit seine Konflikte selbst zu lösen. Manchmal selbst auf eine lautere Art.
Im Zusammenhang mit Charlie Hebdo ging ein Zitat von Voltaire rum, dass ich an dieser Stelle abschließend wiederholen möchte: „I may disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it“
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